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Agnes Nothelfer (1885 - 1963)
und die Familie Einstein in Laupheim, eine Spurensuche
Von Elisabeth Schick

Das Folgende stellt die gekürzte Fassung eines am 11. März 2000 im Museum Schloss Großlaupheim gehaltenen Vortrags dar. Anlässlich des Internationalen Frauentages sollte eine Laupheimerin mit ihrer Lebensgeschichte in den Mittelpunkt gestellt werden. Die Initiatorin der Veranstaltung, Frau Brigitte Schmidt, und ein Frauenteam entschieden sich für die Frau, der die Familie Einstein einen überaus ehrenhaften Nachruf gewidmet hatte, der im Museum ausgestellt und im Anhang zu lesen ist.



Hinführung

1891 erschien in Leipzig ein Buch mit dem Titel: “Das Buch denkwürdiger Frauen, Lebensbilder und Zeitschilderungen”, Festgabe für Mütter und Töchter. Es enthält 16 Kurzbiographien, meistens von Frauen der europäischen Herrscherhäuser. Sind nur solche Frauen denkwürdig? Die Familie Einstein hielt Agnes Nothelfer für erinnerungswürdig, da sie ihr nach ihrem Tod einen solch ehrenhaften Nachruf stiftete.

25 Jahre, von 1915 bis 1940, lebte sie bei und mit der jüdischen Familie Einstein. Bei ihrem Eintritt 1915 wütete der 1. Weltkrieg. 1940, als die Einsteins in die Schweiz emigrierten, und Deportation und Ermordung jüdischer Bürger systematisch angeordnet wurde, endete ihr Dienst. Sie erlebte Aufschwung und Niedergang des Modehauses, das Anwach-sen der Familie der jungen Geschäftsbesitzer um zwei weitere Kinder und deren Heranwachsen mit, in "hellen und finsteren Tagen" (so die Anzeige) lebte sie mit der jüdischen Familie, von der sie sich auch in schwerer Zeit nicht trennen will.

Als Fanny Einstein sie fragt: "Ist es jetzt nicht auch schwer für Sie"? sagt sie nur: "Frau (so hat sie Frau Einstein angeredet), solange Sie da sind, bin ich bei Ihnen". Mich erinnern diese Worte an das Buch Ruth: Ruth, die Moabiterin, sagt zu ihrer Schwiegermutter Noemi: "Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren. Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich." (Rut 1,16) Das Buch Rut ist Festtagsrolle am Fest Schawuot (Pfingsten), wenn der Gesetzesübergae an Mose auf dem Sinai gedacht wird. Die Ausländerin Rut hat mit ihrem menschenfreundlichen solidarischen Verhalten die Tora, das Gottesgebot, vollkommen erfüllt.

So wie die Heilige Schrift das Zeugnis der Rut bewahrt, so hat die Familie Einstein die Treue ihrer einfachen christlichen Hausangestellten für die Nachwelt erinnern wollen. Eine Treue, die sie neben die Treue stellen, die die Propheten des Ersten Bundes verkündeten.

Das Elternhaus, in dem Agnes Nothelfer wohl am 11. November 1885 geboren wurde, steht noch heute - umgebaut und modernisiert- in der Ulmer-Strasse 29. Die Nothelfers waren vor dem 1. Weltkrieg angesehene Leute, im 1. Weltkrieg verarmten sie, die Mädchen mußten putzen gehen, um Geld zu verdienen. 

1878 heiratete Josef Nothelfer -er ist 38 Jahre alt- Maria Magdalena Winter aus Schemmerberg, die zwölf Jahre jünger, also 26 Jahre alt ist. Das Ehepaar Nothelfer hat in kurzen Abständen 11 Kinder bekommen: Drei sterben im Kleinkindalter von drei Wochen, einem Jahr und drei Jahren. Agnes, 1885 geboren als sechstes Kind, erhielt den Namen der 1880 bald nach der Geburt verstorbenen Schwester. Die Mutter mußte noch den Tod eines anderen Kindes erleben: Der Sohn Johannes Evangelist fiel 1915 im 1. Weltkrieg, 25 Jahre alt. Vier ihrer Kinder sieht die Mutter sterben. (Sie selbst stirbt 1919, der Vater 1928) Von den acht lebenden Kindern kommen nur drei zum Heiraten: Anna Maria, Josef und Franz Borgias. Der letztere ist der einzige , der beim Tod der Agnes -1963- noch lebte (71 -jährig damals, in Mietingen wohnhaft).

Die Nothelfers gehörten zu den ärmeren Familien Laupheims, der Vater betrieb eine kleine Landwirtschaft und ein Fuhrdienst. Der Kampf ums Überleben füllte die Tage aus. Es blieb weder Zeit noch Geld, um das Leben zu dokumentieren, für die Nachwelt sichtbar zu machen: So gibt es wenig Fotos, keine Briefe, keine persönlichen Aufzeichnungen, wie sie etwa die Laupheimer Jüdin Hertha Nathorff-Einstein hinterlassen hat.

Fotos, die von Agnes Nothelfer existieren, sind nicht zahlreich, es sind Geschenke der Familie Einstein, Paßbilder, vielleicht ein Klassenfoto. Agnes Nothelfer -wie die wenigen Fotos sie zeigen- war eine zierliche Frau, sehr klein, nur etwa 153 cm groß, und hatte blonde Haare, die sie zeitweilig wie Schnecken über den Ohren trug. "Alle Nothelfers hatten etwas Unnötiges", sagte uns Herr Rudolf Einstein bei einem Gespräch am 27.11.1999, "nämlich einen Kropf". Die Nothelfers aßen gern Suppen, die konnten sie gut schlucken. Das Haus an der Ulmer Strasse hatte sicher kleine Zimmer, es bot wohl nur beschränkten Platz für die große Kinderschar. Ein Lebensbericht einer Arbeiterin aus Forchheim/Oberfranken aus dem Jahre 1928 erwähnt, dass sich immer vier Kinder ein Bett teilen mussten, und dass die Esszimmerstühle nacheinander benutzt wurden. Man stelle sich zum Vergleich vor, dass die Einsteinsche Wohnung im 2. Stock des Hauses sechs Zimmer nacheinander umfasste. Die Wohnungen der reichen Leute waren weitläufiger, es konnten Besuche empfangen werden, Mitschüler wurden zum Mittagessen eingeladen. Dienstboten bewohnten ein eigenes Zimmer.

Die Einsteins gehörten in Laupheim zwar nicht zu den wohlhabenden Familien wie etwa die Steiner oder Bergmann, aber doch zur gutbürgerlichen gehobenen Mittelschicht. Es gab ja auch viele arme Juden damals in Laupheim, die sogenannten "Viehjuden", und die Hausierer (oder "Bändeljuden", weil sie Bänder an den Türen verkauften). Die armen Juden waren in der Mehrzahl, begüterte Juden bildeten eine kleine Oberschicht in der Stadt.

Der Dienstantritt: 24. Januar 1915 


Als Agnes Nothelfer am 24. Januar 1915 ihren Dienst bei den Einsteins antrat, war das nicht nur ein Eintritt in eine neue Stellung, sondern in eine andere soziale Schicht. Um so erstaunlicher und beachtenswerter, dass die beiden Frauen Fanny Einstein und Agnes Nothelfer Freundinnen wurden, obwohl Agnes Nothelfer ihre Arbeitgeberin stets mit "Frau" anredete. Es mag dazu beigetragen haben, dass Fanny noch sehr jung war und in der mütterlichen Agnes, die 6 1/2 Jahre älter war, vielleicht selbst eine "Mutter" gesehen hat. Agnes Nothelfer war zu Besuch bei ihren Verwandten, als sie von der offenen Stelle in Laupheim hörte. Sie hatte damals eine Stelle als Kindermädchen in Rottweil, wo sie auch begeistert die Fasnet mitgemacht haben soll. Ein Foto von 1905 zeigt sie im Faschingskostüm. Die Kündigung der Stelle in Rottweil mag ihr leicht gefallen sein, weil so viele ihrer Verwandten in Laupheim lebten und sie die verwandtschaftlichen Kontakte pflegte und liebte. Frau Einstein suchte eine Frau zur Betreuung für ihre damals zweijährige Tochter Claire und für leichte Hausarbeiten. "Machen Sie eine Probezeit. Sehen Sie selbst, ob es Ihnen paßt oder nicht paßt. Paßt es Ihnen nicht , so gehen Sie wieder". Die Agnes ist geblieben und hat es gut gehabt. Damals waren die Kinder Siegfried (geb. 1919) und Rudolf (geb. 1921) noch nicht geboren.

Die Familie Einstein 

Die Arbeitgeber waren Max Einstein und Fanny geb. Marx. Der Vater war 14 Jahre älter als die Mutter, die bei der Hochzeit (1911) sehr jung, noch nicht ganz 20 Jahre alt, war. Der Vater hatte im 1. Weltkrieg gedient und wurde mit dem EK II und der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Von dieser Zeit im Krieg behielt er als Nachwirkung der feuchten Schützengräben eine Anfälligkeit für Bronchitis, auch hatte er zeitlebens Fußschäden. Er war im Alter schwer zuckerkrank. Die Eltern mußten wegen der schwachen Gesundheit des Vaters oft nach Bad Reichenhall zur Kur fahren. 

Der Vater war ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler. Er ging auch gern in den Hasen. "Achtung , der Max kommt", hieß es, wenn er die Wirtschaft betrat. Er war leutselig und sprach gern mit den einfachen Leuten. Er konnte es mit allen. Der Vater war, wie dann auch seine Kinder, künstlerisch veranlagt, er schrieb Gedichte (ging gelegentlich schon vor dem Frühstück auf den Balkon und verfasste Verse) und konnte gut zeichnen.

Fanny Marx, die Mutter, war eine "Rein-geschneite", sie stammte aus Altenstadt a.d. Iller. Die letzten beiden Jahre vor ihrer Hochzeit verbrachte sie bei ihrem Onkel in München, dem Bankhaus Gebrüder Marx in Schwabing. Sie wurde von ihm durch München geführt und hat es dort gut gehabt. Durch ihre Herkunft brachte Fanny Marx etwas Großstädtisches nach Laupheim, in ihrer Kleidung und in der Einrichtung ihrer Wohnung, die von ihrem Geschmack zeugt. Das Schlafzimmer war aus dem selten verarbeiteten Zitronenholz.
Neben den kleineren Textilgeschäften (Klaiber, Biber, Hofheimer, das später von Doss übernommen wurde) war das Modehaus Einstein ("D.M. Einstein") das bedeutendste, mit regionaler Ausstrahlung. Das Sortiment umfasste Damen-, Herren- und Kinderkleidung. 

Paula Feger und Agnes Nothelfer (Im Hinter- 
grund ist ein Turm der Synagoge zu sehen)


David Einstein (1806-1892) hatte 1832 in der Kapellenstrasse 1 das Damenmodengeschäft gegründet. Sein Sohn Daniel David Einstein (1847 - 1923) hatte 1906 das neue Geschäfts- und Wohnhaus errichten lassen. 1932, also noch kurz vor dem Ausschluß der Juden aus dem gesellschaftlichen und geschäftlichen Leben, konnte das Haus das 100-jährige Jubiläum feiern. Ein Handtuch, das die Köchin Paula Feger anläßlich des Jubiläums erhielt, wurde dem Museum geschenkt. Am 1. April 1933 (nur zwei Monate nach der Installierung des Hitlerregimes) begann der offiziell inszenierte Boykott der jüdischen Geschäfte: "Kauft nicht bei Juden". Mit dem Jahr 1933 begann der soziale Abstieg, Emigration und Verlust des Besitzes folgten.

Ein Geschäftshaushalt brauchte damals viele Mitarbeiter: Während Vater Einstein an der Kasse stand, war sein Bruder Ludwig, der in der Kapellenstrasse 50 wohnte, mehr im Verkauf tätig. Angestellte waren Herr Fuchs, er war Chauffeur, der die kleineren Geschäfte in Laupheim und Umgebung mit dem Auto belieferte. Er war ein guter Chauffeur, nie alkoholisiert. Seine Frau stammte aus Norddeutschland. Rudolf Einstein hat ihn oft auf seinen Fahrten begleitet. Im Geschäft war als Textilverkäufer Herr Doss, ein Sachse, beschäftigt. Büroangestellte war Frau Nopper. Eine Buchhalterin war Fräulein Merz. Freitags kam eine Frau Lechner zum Putzen. In der Küche wirkte Paula Feger bis zu ihrer Heirat 1933, als sie in Bronnen Herrn Aubele heiratete, der eine Hühnerzucht betrieb. Da war sie 30 Jahre alt. Frau Aubele geb. Feger lebt noch heute in Bronnen, 97 Jahre alt. 8 Jahre hat sie zusammen mit Agnes Nothelfer im Haus gewirkt. Fotos dokumentieren das gute Miteinander. Als Erinnerung an ihre Köchinnen-Zeit hat Frau Aubele ein handgeschriebenes Heft mit Rezepten für Quittengelee, Reisauflauf und die berühmte Giraffentorte aufbewahrt. 

Die Aufgaben der Agnes Nothelfer

Als Agnes Nothelfer 1915 30-jährig in den Haushalt der Familie Einstein eintrat, betreut sie zunächst nur das 2-jährige Clärle. 1919, vier Jahre später wird Siegfried, 1921, 6 Jahre später Rudolf geboren, der heute in St. Gallen lebt und uns bereitwillig Auskunft gab. Während die Mutter (bei Arbeitsantritt der Agnes Nothelfer erst 23 Jahre alt!) im Geschäft ist, kümmert sich Agnes Nothelfer um die Kinder. Sie wird somit zur Ersatzmutter auf Zeit, weil die Kinder auch an der Mutter sehr hängen. Sie wird nicht bei ihrem wirklichen Vornamen Agnes, sondern liebevoll Anna genannt. Die biblische Anna ist die Mutter Mariens, die die Mutter Jesu ist und Bild der Mütterlichkeit in Frömmigkeit und Kunst schlechthin ist. Die biblische Anna ist die "Mutter der Mutter". Viele Kindermädchen werden deshalb "Anna" genannt.

Abends warteten die Kinder auf den Gutenachtkuss von Mutter und Kindermädchen. Als Rudolf, der jüngste Sohn, noch ganz klein war, schlief er sogar bei Agnes Nothelfer im Zimmer. So wurde das Verhält-nis zu den Kindern immer herzlicher, obwohl Agnes Nothelfer ihre Gefühle nicht zeigt. Die Kinder konnten mit ihr nicht schmusen. Bei den Gängen zu Annas Verwandten, "trottete" Rudolf mit. Wenn sie im Sommer ihrem Bruder auf den Wiesen Richtung Westbahn- hof beim Heuen half (die Mutter hat es ausdrücklich erlaubt: "Wenn Ihr Bruder Sie braucht, gehen Sie nur!"), geht er mit und aß Gurkensalat und trank Apfelsaft. Oft kam die Schwester Lene zum Helfen ins Haus. Die Kinder kannten auch die Verwandten gut. Manchmal klopfte Agnes Nothelfer beim Spaziergang mit den Kindern an das Fenster des Hauses in der Ulmer Strasse 29, aber sie geng nie hinein.

Rudolf Einstein erinnerte sich an eine glückliche Kindheit: an die Goldfische im Schlosspark, an rasende Fahrten mit dem Holländer den Kirchberg hinab, an Versteckerlesspiele beim Holzlager hinter Schmid-Barabeisch und wie sie mit dem Luftgewehr auf Spatzen schossen.

Diese glücklichen Jahre wurden 1933 mit der Macht-übernahme Hitlers rasch und gewaltsam beendet. Clärle ist 20, Siegfried 14 und Rudolf 12 Jahre alt. Es kam zu einer Trennung von den Kindern. Zu der natürlichen Ablösung im Jugendalter, die jede "Mutter" ertragen muß, kam in dieser Familie ein abrupt entstandener Bruch. Die zwei Jungen verliessen Laupheim und gingen in die Schweiz ins Internat: 1934 und 1936.

1933 stirbt Clärle

Für die Familie, aber auch gerade für Agnes Nothelfer, bedeutet es eine nie verwundene seelische Not, als ihr geliebtes Kind erst 20-jährig bei Riezlern auf einer Bergwanderung vom Blitz erschlagen wird. Ihr Grab befindet sich auf dem Laupheimer Jüdischen Fried-hof. An dieser Tochter, dem ersten Kind der Familie, hat Agnes Nothelfer besonders ge-hangen: Sie war hübsch und künstlerisch begabt, in Laupheim hatte sie die Latein-schule besucht und dann in München die Kunstakademie und die Gewerbeschule. Mit 17 Jahren hat Clairle Einstein in Lausanne, wo sie französisch lernte, eine Keramikschale geformt und bemalt, die heute bei ihrem Bruder in St. Gallen steht. Diese Schale dokumentiert ihre hohe künstlerische Begabung.

Alltag im Hause Einstein

Der Tag beginnt mit dem Anheizen der Öfen und der Zubereitung des Frühstücks. Die Eltern gehen dann ins Geschäft hinunter, zu dem auch Agnes einen Schlüssel hatte. Sie konnte es betreten, wann immer sie wollte, ein Beweis des Vertrauens, das die Familie in sie setzte und setzen konnte.

Die Köchin Paula Feger geht einkaufen, bei Feinkost Steybe (heute Haus Rupf, bzw. Neubau M. Schmid), bei Bitterle (heute Cadi) und bei Pressmar (heute Teeladen) und kocht für alle. Auch die Angestellten essen mit. Herr Fuchs und Agnes am Tisch der Eltern im Eßzimmer, die Angestellten in der Küche. "Die Anna war schon etwas Besonderes", kommentiert die heute 97 - jährige ehemalige Köchin Frau Aubele.

Die Einsteins aßen wie die anderen Laupheimer auch schwäbische Hausmannskost: Die Kinder liebten die Dampfnudeln. Alle aßen gern Fleisch, es gab auch Schweinefleisch. Die Küche wurde nicht koscher geführt, die jüdischen Speiseregeln nicht eingehalten. Einsteins waren liberale Juden, was ja auch die Namen der Kinder zeigen: Claire, Siegfried, Rudolf, während der Großvater noch Daniel David hieß. Die Kinder tragen keine biblischen Namen, sondern übliche deutsche Vornamen, und sie haben sich ganz als Deutsche verstanden, bis das Nazi-Regime ihnen beibringen wollte, dass sie keine Deutschen wären.

 

 


Agnes Nothelfer, Paula Feger sowie Rudolf (rechts) und Siegfried Einstein (links).

 

Am Schabbatabend gab es Berches, das traditionelle jüdische Segensbrot, das Paula oder Anna selbst herstellten und für 15 oder 20 Pfennige bei Bäcker Mäschle backen ließen. Sie arbeiteten täglich, alle 14 Tage war ein Sonntag frei. An Weihnachten (es wurde in der Familie das jüdische Lichterfest Chanukka im Dezember gefeiert) stellte die Familie keinen Weihnachtsbaum auf, wohl gab die Mutter der Agnes einen kleinen Baum für ihr Zimmer, und die Angestellten erhielten Geschenke. Die Gaben für Agnes fielen besonders reichlich aus: Der Flügel sei fast geborsten von Geschenken. Agnes Nothelfer erhielt von ihren Hausleuten alles, was sie an Mänteln und Kleidern benötigte. Sie mußte kaum etwas dazukaufen. Sie war anspruchslos. Umso großzügiger gab sie ihren Ver-wandten. Agnes Nothelfer war selbstlos in ihrer Arbeit, aber auch im Umgang mit dem Wenigen, was sie erwerben konnte.

Die Religion

Die Einsteins waren liberale Juden, die seit vielen Generationen in Deutschland lebten. Sie hielten das mosaische Gesetz nicht streng ein, waren aber auch keinesfalls unreligiös zu nennen. Sie lebten tolerant neben den christlichen Familien der Stadt. Die meisten Juden in Laupheim waren Traditionsjuden, die die traditionellen Vorschriften einhielten.

Die Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits waren frömmer als die Eltern, aber alle in der folgenden Generation hielten die jüdischen Feiertage ein. An Yom Kippur (Versöhnungstag) und Rosch Haschana (Neujahrsfest) war das Geschäft geschlossen.

Frau Fanny Einstein, die Mutter, sah zu, dass Anna am Sonntag die Frühmesse besuchen konnte. Die Familie war bereit, solange mit dem eigenen Frühstück zu warten. Sicher hat bei ihrer verständnisvollen, großzügigen Einstellung dem Christlichen gegenüber eine Rolle gespielt, dass sie als junges Mädchen in Alten-stadt/Iller eine katholische Schule besucht hatte. Sie war eine gute Frau, die oft Ware in arme Häuser trug. Diese Menschen haben es ihr jedoch in schlimmer Zeit nicht gedankt. Mitleid und Gutmütigkeit waren Eigenschaften, die beiden Frauen gemeinsam waren.

Wie die Dienstherrin ihre Religionsausübung ermöglichte und achtete, so stand auch Anna der jüdischen Praxis ehrfurchtsvoll gegenüber. Am Freitagabend, wenn die Kinder Sieg-fried und Rudolf sich mit Trottinette und Holländer auf der Straße tummelten, öffnete sie das Fenster und rief: "Buben, raufkommen, waschen, in die Synagoge gehen". Sie hielt streng darauf, dass die Kinder gingen. Am Abend war es Agnes Nothelfer, die den zweiarmigen Leuchter aufstellte. Am höchsten Feiertag der Juden, dem Yom Kippur, hat sie mitgefastet. Es gab auch christliche Dienstboten, die mit in den Synagogengottesdienst gingen. Den Sabbat als Ruhetag strikt einzuhalten, war in einer mehrheitlich christlichen Stadt nicht möglich, weil das Geschäft am Samstag geöffnet war.

Anna war fromm, das wusste die Familie und respektierte es. Sie ließen zu, dass Anna auf ihren Spaziergängen mit dem Kind Rudolf ihn auch mit in die Kirche nahm, wo sie hinkniete und den Rosenkranz betete. Einmal war das Kind bei einer Auferstehungs(Oster)-feier in der "Schlosskirche" (i.e. Sankt Peter und Paul) dabei.

Die Familie schenkte der Anna eines Tages eine Reise nach Lourdes. Und sie, die nur ungern Bus oder Zug fuhr, hat sich wirklich mit einer Pilgergruppe in den Zug gesetzt.

Agnes Nothelfer hat nie geheiratet. Sie hat bewußt ledig gelebt: Beim Bäcker Burkert wurde sie mit "Fräulein Agnes" angeredet. Sie wünschte sich, bei ihrem Sterben in einem weißen Sarg beerdigt zu werden, als Zeichen ihrer Jungfräulichkeit. Die Einsteins haben ihr diesen Wunsch erfüllt.

Juden und Christen kamen vor der Hitlerzeit gut miteinander aus, in der Regel sogar besser als die Christen untereinander (Hertha Nathorff-Einstein, geb. 5. Juli 1895, erinnert sich: "An kath. Feiertagen, an denen die Katholiken vom Unterricht dispensiert waren, sagten diese zu mir: "Du tust uns leid, dass du heute bei denen bleiben mußt", während die protestantischen Kameraden ihr zuflüsterten: "Heute ist es fein, heute sind wir ganz unter uns".)

Während es an der Basis oft haperte, verstanden sich die Gemeindeleiter und Schachpartner Rabbiner Treitel und Stadtpfarrer Storz gut. Letzterer gründet mit seinem evangelischen Kollegen und Vereinen zusammmen eine Suppenküche, durch die z.B. 1931 150 arme Leute verköstigt wurden. Wenn der Rabbiner durch die Straßen ging, sprangen auch katholische Kinder zu ihm hin und grüßten ihn mit "Gelobt sei Jesus Christus", worauf er -wie jeder kath. Geistliche- antwortete mit "In Ewigkeit. Amen". Der Rabbiner hatte in seinen Rocktaschen immer Bonbons und Schokolade für die Kinder. Er war ein feiner Mann und in Laupheim sehr beliebt in der ganzen Stadt.

Die NS- Zeit in Laupheim beendete abrupt das weitgehend friedliche Miteinander. Machtübernahme durch Hitler am 30. Januar 1933. Schon an 1. April 1933, also nur 2 Monate später, folgten erste Boykotterklärungen gegen jüdische Geschäfte. SA Posten standen auch vor dem Kaufhaus Einstein. Eine schwierige Situation begann: Die Löhne müssen weiter gezahlt werden, während die Kunden sich nicht trauen, in einem jüdischen Geschäft einzukaufen.

1934 oder im Sommer 1935 wurden von österreichischen Legionären mit Stangen, die sie von der Marktplatzabsperrung reißen, die Schaufenster zertrümmert. Auch bei Kurt Sternschein (David Sohari, heute in Israel) zum "Kronprinz" haben sie alles eingeschlagen. Für die Scheiben trat die Glasversicherung ein, für die zerstörte Ware nicht. Als Paula Feger, die Köchin am Morgen die Zerstörungen entdeckt, rief sie aus: "So ebbes macht ma doch it!" Darauf hatte ein Beschäftigter als Antwort: "Du bist kein deutsches Mädel!"

Antisemitisches Gedankengut, von den Nazis propagiert, wurde auch in Laupheim mit Zustimmung, teilweise auch mit Begeisterung aufgenommen.

Die NS-Zeit kann in vier Phasen antijüdischer Attacken gegliedert werden:
-die ideologische Hetze,
-die wirtschaftliche Enteignung,
-die Vertreibung,
-die Verschleppung und Ermordung.
Agnes Nothelfer erlebt in der Familie Einstein die ersten beiden Phasen mit. 1933 leben 240 jüdischen Bürger in Laupheim, unter 5.953 Bürgern insgesamt stellen sie 4 %, in Ulm sind es 516 , das sind 0,8 % der Bevölkerung. Die Einsteinstrasse in Ulm wird in Fichtestrasse umbenannt (März 1933), 1999 wird Albert Einstein zum Mann des Jahrhunderts in Deutschland gewählt. Deutschland soll "judenrein" werden. Freundschaften zwischen christlichen und jüdischen Kindern, Klassenkameradschaften werden auf eine Probe gestellt. Es tritt eine Polarisierung ein, die scheinbar zur Entscheidung zwingt: deutsch sein oder judenfreundlich sein. 

Auch der Agnes Nothelfer bleibt die Wahl nicht erspart. Wenn ihr Laupheimer auf der Strasse "Judenmagd" nachrufen (wie sie auf das Trottoir vor der Bäckerei Halder "Judenknechte" schreiben und die Familie des Polsterers Volz drangsalieren), dann trifft die Judenhetze auch die christliche Dienstmagd mit. 1935 verbieten die Nürnberger Gesetze die Weiterbeschäftigung nichtjüdischer Hausangestellter. Über 50-Jährige können jedoch bleiben. Rechtlich gesehen, kann Agnes Nothelfer, die 1885 geboren, also 1935 50 Jahre alt ist, bleiben. Sie ist jetzt schon 20 Jahre in der Familie. Aber entscheiden muß sie sich doch auch. Ihre "Frau" fragt sie: "Anna, Sie dürfen weggehen". Da sagt sie den eingangs schon zitierten Satz: "Frau, solange Sie da sind, bin ich bei Ihnen". Oder bei einer anderen Begegnung fragt Frau Einstein die Agnes Nothelfer: "Ist es jetzt nicht auch schwer für Sie?" Da antwortet sie: "Frau, ich weiß, wo mein Platz ist". Es gibt nicht viele wörtlich überlieferte Aussprüche der Agnes Nothelfer, aber die wenigen bezeugen die Gradlinigkeit ihres Charakters. Umso härter mußte es auch sie und nicht nur die Eltern treffen, dass die beiden Jungen wegen der Gefahr in die Schweiz geschickt wurden. Im September 1934 ging als erster Siegfried aus Laupheim weg. 

1932 und 1934 hatten beide Jungen noch in Laupheim Bar Mizwa gefeiert, unter dem Rabbiner Cohn von Ulm, Rabbiner Treitel, der letzte Laupheimer Rabbiner, war 1931 gestorben. 1934 ging Siegfried, Frühjahr 1936 Rudolf nach St. Gallen, wo Freunde und Verwandte der Einsteins leben. Sie besuchen das Institut Schmidt, eine Handelsschule, 1936 hat sie der Vater dort besucht.

Bis 1937 konnten Juden Geld in die Schweiz transferieren, um die Kosten für die Kinder aufzubringen. Danach waren die emigrierten Juden voll von ihren ausländischen, meist amerikanischen Verwandten abhängig. Der Bruder von Max Einstein, Onkel Ludwig, ging 1936 nach New York. Dass auch die Eltern diesen letzten Schritt tun, alles verlassen, was sie in Laupheim aufgebaut haben, und ebenfalls in die Schweiz übersiedeln, nicht flüchten, sondern regulär mit Visum und mit 10 Mark in der Tasche, das bewirkte die von den Nazis angezettelte 

Progromnacht.

Am 9. November 1938 brannte die Laupheimer Synagoge. Max Einstein war unter den 17 jüdischen Laupheimern, die am folgenden Morgen verhaftet und ins KZ Dachau verschleppt wurden, wo Sigmund Laupheimer zu Tode geprügelt wurde. Zwischen zwei Wochen und 3 Monaten dauerte für die einzelnen die Haft. Bis auf einen konnten alle zurückkehren. Der Vater kam zurück, aber seelisch gebrochen. Seine Überzeugung, nicht auswandern zu können, geriet ins Wanken. Er war geblieben, weil er nach der Emigration seines Bruders das Geschäft allein führte (1937 waren schon Verkaufsverhandlungen eingeleitet worden, 1938 wird es von einem Göppinger mit Namen Schurr gekauft), weil er nicht ernsthaft an ein Fortdauern des Naziregimes glaubte ("Das kann nicht mehr lange gehen"), weil das Grab seiner Tochter auf dem Laupheimer Friedhof war. Als es ab dem 1. Januar 1939 den Juden verboten wurde, Einzelhandel, Banken, Bestellkontore und selbstständige Handwerksbetriebe zu führen, war der Familie Einstein die Existenzgrundlage genommen. (12. November 1938: Erste Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben). Die Mutter plante eine Auswanderung. Vielleicht hatte sie zuerst an eine Auswanderung in die U.S.A. gedacht. Sie packte Kisten, suchte das Überlebensnotwendige und das Geliebte zusammen (wie die von Clairle entworfene Schale) und wartete auf ein Visum. Der Vater war zu einer Planung seelisch nicht mehr in der Lage. Aber die Aussiedlung gelang. Auch das "Hundle" ist heil über die Grenze bei St. Margarethen gekommen. 10 000 Reichsmark mussten als Bürgschaft gestellt werden, das sind heute etwa 100 000 DM.

SA-Posten belagern das Kaufhaus Einstein


Nur den reicheren Juden war es möglich, legal zu gehen. Die anderen, die ärmeren, oft auch die alten, wurden 1941 und 1942 in der Wendelinsgrube gesammelt. Auch Nicht-Laupheimer Juden waren dabei. Am 28. November 1941 ging der erste Laupheimer Transport in den Tod. 64 jüdische Bürger, die in Laupheim verblieben waren, wurden jetzt in den Tod gefahren. Keiner kehrte zurück. Auf der Friedhofstafel tragen sieben Menschen den Namen Einstein. 

Von den anderen Namen im Nachruf: Die "lieben Leute in Laupheim, anständig, hoch anständig" (Rudolf Einstein)


Rudolf Einstein, St. Gallen, 1999

 

Bis zur Emigration erlebten die Einsteins die verschiedensten Reaktionen von ihren Mitmenschen. Es gab Laupheimer, die sie weiter grüßten, als wenn es keine Juden-gesetze gäbe. Von Frau Marie Schneiderhahn erzählte Herr Einstein, sie habe seine Mutter auf der Straße freudig mit "Fanny, Fanny" begrüßt. Die Mutter habe ängstlich gesagt: "Paß auf, wenn uns jemand sieht, kann es sein, dass die Rente nicht ausbezahlt wird". Frau Schneiderhahn war jung Witwe geworden (1923), ihr Mann war Realschullehrer gewesen. Sie hatten 4 Kinder. Der Vater starb, als das vierte Kind gerade eine Woche alt war. Die Mutter wurde krank, da brachten jüdische Familien ihr Essen und halfen ihr. Das vierte Kind hätte von einem jüdischen Bekannten, Herrn Steiner, adoptiert und mit ihm nach Amerika gehen sollen. Die Mutter hat es nicht übers Herz gebracht, das Kind wegzugeben. Tragischerweise ist Herr Steiner an einem Furunkel während der Überfahrt gestorben. Frau Schneiderhahn wohnte in der Ulmer Strasse 28. Bis 1936 haben die jüdischen Frauen Heimann (Mutter und Tochter) bei ihr in Miete gelebt. Als ein Gestapodienstmann die Heimanns abholen wollte, hat sie sie -erfolgreich- abgewiesen. In ihrem Haus wohnte auch der jüdische Ersatzrabbi, Herr Silbermann. Die Kinder Schneiderhahn wurden in der Schule gefoppt, dass ein "Rabbi bei ihnen wohne". Frau Schneiderhahn, die rechnen mußte und auch etwas zu verlieren hatte, sagte: "Das sollen sie mal wagen, mir die Rente nicht auszuzahlen, ich kann doch grüßen, wen ich will". Sie hat die Freundschaft mit Fanny Einstein auch verbotenerweise weitergepflegt und sie nachts besucht. Die Bärenwirtin hat das bemerkt, aber sie nicht angezeigt (weil Frau Schneiderhahn ihrem verstorbenen Kind Blumen aufs Grab gestellt hatte). Siegfried Einstein spricht im Nachruf für Agnes Nothelfer von der "unvergeßlichen Frau Schneiderhahn".
Es gab Laupheimer, die weiterhin in ihren christlichen Betrieben Juden bedienten: Frau Schneidermeisterin Frank hat für jüdische Familien genäht, Herr Frisör Hofbauer hat sie frisiert, Bäcker Halders haben ihnen Brot verkauft ("Ihr habt die meisten "J"-Karten", hieß es auf dem Rathaus beim Abrechnen) und ebenso die Bäckerleute Burkert.


Manche der Hilfsdienste für jüdische Familien waren nicht ohne Risiko für alle Beteiligten. Frau Franziska Glaser vom Kirchberg hat heimlich , nur von einem Kind begleitet, in die Wendelinsgrube Lebens-mittel (Milch und Butter) gebracht. Was sie gab, ging von den Lebensmittelkarten der Kinder ab. Aber sie hat geteilt. Frau Nanni Czerwinka erinnert sich noch, als Kind mit der Mutter zum Westbahnhof rausgelaufen zu sein. Ab Oktober 1941 waren Juden, bisher im jüdischen Altersheim, dem früheren Rabbinat, zusammengepfercht, in die Wendelinsgrube in sogenannten "Behelfswohnungen" gebracht worden. Andere Laupheimer haben ein Bügeleisen in die Baracken gebracht oder sonstwie geholfen. Das meiste wird im Verborgenen bleiben. Es waren Hilfeleistungen von Nachbarn für Nachbarn: Laupheimer, die in der Nähe des jüdischen Viertels wohnten, Frau Glaser war auf dem Judenberg geboren. Andere waren mit ihren jüdischen Familien befreundet, hatten Gutes mit ihnen erlebt. Frau Glaser hatte als junge Frau im Haushalt des jüdischen Zahnarztes Eckle in Göppingen im Haushalt gearbeitet. 

Ihr Mann hatte bei Hopfen Steiner gearbeitet, Säcke genäht, auch die Anzüge der Chefs ausgebessert, er war Schneider. Beide Eheleute hatten also schon lange vor der Nazizeit Kontakt zu jüdischen Mitbürgern, den sie aber auch nicht verleugneten oder abbrachen, als es strafbar wurde.

Die Nachkriegszeit

Agnes Nothelfer betreute ihre kränkliche Schwester Anna-Maria und deren kleine Enkelin. 1951 erhielt sie den ersten Besuch der Einsteins. Sie selbst fuhr einmal nach St. Gallen, weil man ihr einen Besuch in der Wallfahrtskirche in Einsiedeln versprach.

Am 24. Januar 1963 starb Agnes Nothelfer. Die beiden Einstein-Söhne Siegfried und Rudolf waren bei der Beerdigung anwesend, die Mutter, Fanny Einstein, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein. Sie starb am 24. Januar 1964.

Gleichzeitig mit der Todesanzeige der Verwandten für Agnes Nothelfer erschein in der Schwäbischen Zeitung der ehrenvolle Nachruf der Familie Einstein, dem unsere Nachforschungen galten.

Unsere Agnes Nothelfer

ist von dieser Welt gegangen. Mit ihrem Leben ging ein Stück von unserem in die Ewigkeit. Am 24. Januar 1915 kam sie als fleißige Helferin in unser Haus- zu einer Zeit, da Juden noch nicht mit dem Viehwagen in den Tod gefahren wurden; zu einer Zeit, da es in Laupheim noch eine stolze geachtete Jüdische Gemeinde gab.

Unsere Agnes Nothelfer, die unser aller "Anna" war in hellen und finsteren Jahren, verkörperte all jene Eigenschaften, über die man sonst nur in den schönsten Märchen etwas erfährt. Sie war gut und voller Liebe, sie war reinen Herzens und treu bis in den Tod.

Treu - damals: als in einer kleinen Stadt nur noch wenige Menschen es wagten, einem Juden die Hand zu geben ...

Treu - damals: das war die Treue, von der die Propheten künden.

In dieser Treue und in dieser mutigen Menschlichkeit steht sie unvergessen neben allen, die treu und mutig waren in deutsch-barbarischer Zeit. Sie steht neben Berteles "zum Wyse" und Bäcker Halders, neben Staubs auf dem Berg und Hofbauers in der Kapellenstraße, neben Mutter und Tochter Frank, neben der verewigten Frau Reallehrer Marie Schneiderhahn und der unvergeßlichen Frau Glaser auf dem Kirchberg.

Wenn ein Mensch Gottes Gnade und den Himmel sich verdient hat: dann Agnes Nothelfer, u n s e r e "Anna".


St. Gallen / Schweiz, am 24. Januar 1963 Frau Fanny Einstein
Teufener Straße 42 Siegfried Einstein
Rudolph Einstein


Das Grab der Agnes Nothelfer liegt an der Hauptallee rechts auf dem Alten Laupheimer Friedhof bei der Leonhardskapelle.

Dank gilt folgenden Personen:

Brigitte Schmidt, Martina Miller, Elisabeth

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