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2011

 

 

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Rolf Emmerich erhält den Obermayer Award

Von Roland Ray

LAUPHEIM / sz Der Laupheimer Lokalhistoriker und langjährige SPD-Stadtrat Rolf Emmerich erhält am 23. Januar in Berlin den „Obermayer German Jewish Community History Award“. Mit der renommierten Auszeichnung werden Deutsche geehrt, die in ihren Heimatorten einen herausragenden Beitrag zur Bewahrung jüdischen Erbes geleistet haben.

Aus den Händen des Stifters Arthur S. Obermayer, in Boston tätiger Unternehmer mit deutschen Wurzeln und Vorstandsmitglied der Amerikanisch-Jüdischen Gesellschaft, wird Emmerich (73) den Preis im Berliner Abgeordnetenhaus entgegennehmen. Seit Jahrzehnten widmet er sich mit Herzblut der Dokumentation und Aufarbeitung der jüdischen Geschichte Laupheims. Als einer der Ersten ging er auf Spurensuche. Daraus sind weltweite Verbindungen zu ehemaligen Laupheimer Juden und ihren Nachkommen gewachsen, vertrauensvolle Kontakte, von denen nicht zuletzt das Museum zur Geschichte von Christen und Juden profitiert.

 

Für das Museum hat Emmerich sich stets eingesetzt, gegen manches Hemmnis. Er recherchierte und publizierte über die Steiners, den Schriftsteller Siegfried Einstein, die Rabbinerfamilie Treitel und den Komponisten Moritz Henle und initiierte den Arbeitskreis Schalomtage. Zu danken ist ihm auch der Erhalt historischer Aufnahmen von Laupheimer Synagogengesängen; sie wurden 1922 in einem Berliner Tonstudio eingespielt und erscheinen in Bälde als Doppel-CD.

 

Fünf Obermayer Awards werden am 23. Januar verliehen. Alle Preisträger werden, so verlangen es die Kriterien, von Juden für die Auszeichnung vorgeschlagen. Für Rolf Emmerich haben sich unter anderem Angehörige der Familien Steiner, Bergmann, Treitel und Henle verwendet. Über die Anträge entscheidet eine internationale Jury.

2007 hatte erstmals ein Laupheimer den Obermayer Award bekommen: Ernst Schäll, der im vergangenen Jahr verstorbene Ehrenbürger der Stadt. Ihm war Rolf Emmerich bis zuletzt freundschaftlich und in der Erinnerungsarbeit verbunden.

(Erschienen: 07.11.2011 22:05)

 

Von Manuela Müller

Richard Oppenheimers Spurensuche führt nach Laupheim

Die Vorfahren des Amerikaners liegen auf dem Jüdischen Friedhof begraben

Es ist Richard Oppenheimers erster Besuch in Laupheim. Gemeinsam mit dem Museumsleiter Michael Niemetz und Michael Schick, dem Verantwortlichen für die Pflege der Gräber, geht er über den Jüdischen Friedhof. Sie suchen nach Namen wie Meyer, Marx oder Rosenthal und werden fündig. Bis ins 18. Jahrhundert lassen sich die Laupheimer Vorfahren von Richard Oppenheimer zurückverfolgen.

Gewusst hat er das bis vor zwei Monaten noch nicht. Erst im Juli hat er gemeinsam mit seinem Sohn Augsburg besucht. Oppenheimers Vater wuchs dort auf, bevor er 1940 nach New York floh. Bei diesem Aufenthalt und der daraus resultierenden weiteren Suche stieß er auf Wege, die ihn jetzt nach Laupheim brachten.

Anhand von Vornamen und den Geburts- und Todestagen konnte er Verknüpfungen herstellen, die sich wie Puzzleteile aneinanderfügen ließen. Und so beschloss er, in diesem Jahr nochmals nach Deutschland und ganz speziell nach Laupheim zu kommen.

Während Oppenheimers Vater den schlimmsten letzten Jahren der Nazizeit entkam, wurde seine Mutter, die aus Hessen stammt, ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, überlebte und kam 1947 nach New York. Hier lernten sich Richard Oppenheimers Eltern kennen. Gesprochen wurde zu Hause nicht über die grausame Zeit in Deutschland. Da die Eltern aber untereinander Deutsch sprachen, lernte Richard automatisch mit und beweist auch heute noch einen reichen Wortschatz. Seine Mutter hat im Lager einen Bericht geschrieben, den er dem Museum mitgebracht hat.

Überrascht vom Interesse

Sein nun geknüpfter Kontakt nach Laupheim wird bleiben und sich vertiefen. Wie schon an mehreren Orten in Deutschland, an denen er Spurensuche betrieb, sei er auch hier positiv überrascht gewesen vom Interesse an ihm und seiner Geschichte sowie der Unterstützung, die er von Museen und Archiven erfuhr. Auf die Frage, wann er denn wiederkäme, sagte Richard Oppenheimer: „Sicher im nächsten Jahr, aber dann, wenn es wärmer ist.“ Seit zehn Jahren lebt er nämlich nun in Florida, und dort hat es zur Zeit 30 Grad.

(Erschienen: 04.11.2011 19:45)

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Laupheimer Museum bietet ab sofort Audioguides

Von Roland Ray

LAUPHEIM Sie sind handlich, leicht und prall gefüllt mit Information: Audioguides. Den Kopfhörer aufgesetzt und ein paar Knöpfe gedrückt, schon erläutern die elektronischen Führer Gebäude und Ausstellungen. Ab sofort bietet auch das Museum zur Geschichte von Christen und Juden diesen Service an. Zwölf Geräte wurden angeschafft, wahlweise auf Deutsch oder Englisch machen sie die Besucher mit der Thematik und den Exponaten vertraut.

„Das ist eine große Bereicherung für unser Museum“, sagt Bürgermeister Rainer Kapellen. Auch Besucher, die nicht zu einer Gruppenführung angemeldet sind, könnten sich künftig dank der Audioguides umfassend kundig machen. Das schaffe neue Anreize, das Museum zu entdecken und wiederzukommen, auch für die Laupheimer selbst.

15 000 Euro haben die Audioguides gekostet. Sie konnten komplett mit Spenden finanziert werden. Hauptsponsor ist die Gesellschaft für Geschichte und Gedenken (GGG), die 10 000 Euro bereit stellte, zu großen Teilen aus dem Verkauf des inzwischen vergriffenen Gedenkbuchs „Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung“.

„Das Projekt Audioguide war uns wichtig“, betont die GGG-Vorsitzende Elisabeth Lincke. Dieses Medium spreche junge Menschen an, eine Hauptzielgruppe des Museums. Mit der englischsprachigen Fassung wolle man nicht zuletzt den Nachfahren ehemaliger Laupheimer Juden, die aus dem Ausland anreisen, entgegen kommen.

5000 Euro hat der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) zur Finanzierung der Audioguides beigesteuert. Landrat Dr. Heiko Schmid habe dies eingefädelt, berichtet Rainer Kapellen.

Die Laufzeit der elektronischen Museumsführer beträgt 60 Minuten. An 30 Stationen im Schloss liefern sie die passenden Informationen. Den Hörern werde dabei auch die Gestaltung der Ausstellung vermittelt „und wie sie mit Symbolen arbeitet“, erklärt der Museumsleiter Dr. Michael Niemetz.

Die Firma Tonwelt aus Berlin hat die Texte erarbeitet, sekundiert von Niemetz und der GGG. In der deutschen Fassung sprechen die Schauspielerin Eva Haunschild, bekannt aus der Fernsehserie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, und Helmut Gauss, der als Synchronsprecher arbeitet und Liam Neeson in „Schindlers Liste“ seine Stimme lieh.

(Erschienen in der Schwäbischen Zeitung: 15.09.2011)

 

 

 

 

 

 

 

Ansprache / Geschäftsbericht zur Jahreshauptversammlung am 31. März 2011

Ich begrüße Sie /Euch alle sehr herzlich zu unserer Jahreshauptversammlung 2011 und möchte einen Überblick geben über das vergangene Geschäftsjahr und die bevorstehenden Projekte unserer Gesellschaft für Geschichte und Gedenken. 

Bei der Nennung unseres Namens kommt vielleicht auch Ihnen /Euch unser Namensgeber in den Sinn, Ernst Schäll, der am 28. Oktober 2010 nach langer Krankheit gestorben ist und den ich zunächst besonders würdigen will.

Er war es nämlich, der im Dezember 1996, als große Teile der Verwaltung und des Gemeinderats kein Interesse am Aufbau dieses Museums hatten, zu einer Handvoll von späteren Gründungsmitgliedern sagte, „nun müssen wir einen Verein gründen, damit die da oben sehen, dass hinter der Idee etwas Ordentliches steht mit ordentlichen Leuten!“

Wir verdanken ihm den Namen unserer GGG und die Initiative zur Gründung. Dies wird uns immer Anspruch sein, in seinem Sinn das Erbe der jüdischen Gemeinde weiterzugeben.“

Diese Formulierung haben wir in unserem Nachruf auf ihn gewählt.

Heinrich Steiner hat in dem von Rolf Emmerich vorgetragenen Nachruf in der Leonhardskapelle den Abschied folgendermaßen ausgedrückt „Der letzte Gruß an ihn steht auf allen von ihm gepflegten jüdischen Gräbern in Laupheim: „Möge seine Seele eingebunden sein in den Bund des Ewigen Lebens“.

Vorbildlich hat Ernst Schäll schon zu seinen Lebzeiten über seinen Tod hinaus dafür gesorgt: dass sein unschätzbar großes und vielfältiges Lebenswerk auch weitergegeben wird. Er hat Michael Schick in die Betreuung des Jüdischen Friedhofs eingearbeitet, und auch sein gesamter Nachlass ist bei Carolin Lüdke im Stadtarchiv in guten Händen

Auch für diese vorbildliche Weitergabe seines Lebenswerks sind wir ihm und seinen Erben sehr dankbar.

Unsere Verbundenheit mit ihm wollten wir verdeutlichen in der Gestaltung unseres GGG-Flyers, der im letzten Jahr zusammen- und fertiggestellt wurde. Sowohl bei diesem Faltblatt, als auch bei unserem GGG-Poster, das nun im Eingangsbereich nebenan hängt, haben wir Ernst Schäll besonders hervorgehoben. Die Flyer liegen inzwischen aus, das Poster ist gut sichtbar im Eingangsbereich nebenan zu sehen. Vielen Dank allen bei der Herstellung Beteiligten. 

Nicht nur „neue Druckwerke“ haben wir im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit gebracht, sondern auch bei bereits vorhandenen Werken auf CD für eine Neuauflage gesorgt.

Hier zu nennen ist die Wiederauflage unserer Moritz Henle-CD, (500 Exemplare) die ja komplett ausverkauft war.

Es war uns wichtig, dieses „Zeugnis jüdischer Kultur in Laupheim“ auch künftig nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Ein anderes Zeit-Zeugnis“, nämlich eine Deckenlampe, nach einem Entwurf von Friedrich Adler von einem christlichen Handwerker in der Kapellenstrasse gearbeitet, konnte ebenfalls durch GGG-Initiative dem Museum übergeben werden: am 5. September, anlässlich des Europäischen Tags der Jüdischen, der im Jahre 2010 unter dem Motto „Kunst und Judentum“ stand und den Jugendstilkünstler Friedrich Adler im besonderen würdigte. Eine thematische Adler-Führung im Museum und ein Gang über den jüdischen Friedhof, von GGG-Mitgliedern durchgeführt, fanden großen Anklang, ebenso wie der Vortrag von Prof. Pese aus Nürnberg.

Weitere öffentliche Veranstaltungen mit Beteiligung der GGG waren im vergangenen Jahr das Interkulturelle Museumsfest am 16.Mai im Kulturhaus, der Empfang der Neubürger im Rathaus am 24.10., die Schalomtage im November und der Gedenktag für die Opfer des Holocaust am 27. Januar. 

Und – nicht zu vergessen - : auch die Israel-Reise vom 25.Mai bis zum 5.Juni, bei dem der Laupheimer Singkreis in einem Kibbuz in der Nähe von Haifa und in Jerusalem mehrmals öffentlich musikalisch auftreten konnte, war von der GGG initiiert und organisiert worden. Während dieser Reise kam es u. a. zu Begegnungen mit Dr.Heinrich Steiner, Marlies Glaser und Liora Seewi.

Zu den wenig in der Öffentlichkeit bekannten „Arbeiten“ von GGG-Mitgliedern zählte auch wie in den vergangenen Jahren die vielfältige Kontaktpflege zu den ehemaligen Laupheimern aus der jüdischen Gemeinde, Kontakte, also, die zum einen das menschliche Gesicht der GGG ausmachen, zum anderen immer wieder neue Exponate und Geschichten dem Museum und der Ortsgeschichte hinzufügen.

Ich danke allen denjenigen, die sich Zeit für schriftliche Grüße oder für Telefonanrufe nehmen- sie sind gerade für die älteren ehemaligen Laupheimern (oft Ehrenmitgliedern) wichtig, da deren Bekanntenkreis immer kleiner wird. Gerade Sie nutzen auch gerne unsere regelmäßig aktualisierte GGG-Homepage

Nicht unerwähnt lassen möchte ich das, was viele GGG-Mitglieder vor Ort bei den vielen Betreuungen von auswärtigen Besuchern, z.B. dem Filmteam der Arte-Dokumentation über Hollywood, durch Fahrten, Essenseinladungen, Museumsführungen und Friedhofsgänge, bei der Verwaltung, der Lagerung und dem Versand unserer Bücher erledigen.

Ich bitte um Verständnis, dass ich hierbei nicht alle einzelnen Namen genannt habe.

Deshalb ein globaler Dank an alle und jeden einzelnen, mit der Bitte, auch weiterhin im Geiste unseres Satzungsziels für die Bewahrung und Aufarbeitung des jüdischen Erbes der Stadt Laupheim weiterhin zu wirken. Vielen Dank.

Damit komme ich nun zu dem, was im kommenden Jahr ansteht.

Unser finanzielles Großprojekt ist die Anschaffung von 12 Audio-Guides für das Museum, eine Anschaffung, die wir ja bei der letzten Jahreshauptversammlung gemeinsam beschlossen haben und die beim Museumsbesuch einzelnen Besuchern entgegenkommen soll. Eine finanzielle Beteiligung an diesem Projekt hat der Freundeskreis abgelehnt. Dr.Michael Niemetz wird gleich im Anschluss an den Kassenbericht davon berichten. 

Das zweite Projekt ist nach 9 Jahren wieder eine Reise nach Berlin unter bewährter Leitung von Gabi und Dietmar Lüdke, diese Reise wird ebenfalls heute Abend vorgestellt.

Um in diese Reise schon jetzt thematisch einzustimmen, wird uns anschließend Carolin Lüdke einen Vortrag halten unter dem Titel: Block der Frauen- Widerstand in der Rosenstraße“, ein Vortrag, der schon mal auf die Film-Vorführung hier im Laemmle-Kino am kommenden Donnerstagabend (7.4.) einstimmt.

Ein weiterer Filmeabend findet eine Woche später, am 14.4. statt. Dabei können wir gemeinsam den Film „Die Wannsee-Konferenz“ anschauen. Sie erhalten hierzu noch eine separate Einladung.

Soweit fürs erste zu meinen Ausführungen: im Voraus schon ein herzlicher Dank an alle, die sich für heute Abend durch einen Beitrag einbringen und zur Vorbereitung beigetragen haben. Ich übergebe nun an Dich, Peter Schroeder, mit der Vorstellung des Kassenberichts.

Vielen Dank.

Elisabeth Linke - 1. Vorsitzende

 

Bericht aus der Schwäbischen Zeitung vom 24.02.2011

Traumfabrik: Wie Laemmle die Filmstadt Hollywood gründet

Kai Christiansen porträtiert den Kino-Pionier aus Laupheim fürs Fernsehen – Zu sehen am 13. März auf Arte

 

Von Roland Ray

LAUPHEIM Ein Leben für den Film, ein filmreifes Leben: Mit 17 wanderte Carl Laemmle (1867 - 1939) nach Amerika aus. Der Laupheimer jüdischer Herkunft brachte es vom Erntehelfer zum Millionär, legte 1912 den Grundstein für Hollywood – und vergaß trotzdem nie die alte Heimat. Der Autor und Regisseur Kai Christiansen hat ihm eine 80-minütige TV-Dokumentation gewidmet, die am 13. März auf Arte ausgestrahlt wird. Am Dienstag war im Museum ein „Preview“ für geladene Gäste.

Laemmle verkörpert den amerikanischen Traum vom Selfmademan. Als die Bilder laufen lernen, arbeitet er sich zum Geschäftsführer eines Textilkaufhauses hoch. 1906 besucht er in Chicago ein Nickelodeon, eines jener frühen Kinos – und findet seine Bestimmung. Zielstrebig startet er in der Zelluloid-Branche durch, mit sicherem Gespür für Marktgesetze und Publikumsgeschmack, wie Christiansen deutlich macht.

Als einer der Ersten positioniert Laemmle sich nicht nur als Kinobesitzer und Produzent, sondern auch als Filmverleiher. Als Anhänger der „Woolworth-Idee“ – billige Güter für Viele – orientiert er sich an den Erwartungen der Massen. Die künstlerische Qualität mag darunter leiden – sei’s drum, er will vor allem unterhalten. Dabei greifen seine Produktionen immer wieder brisante Themen auf wie etwa den Frauenhandel („Traffic in Souls“, 1913). Laemmle beweist überdies Stehvermögen. Jahrelang – und letztlich siegreich – wehrt er sich vor Gericht gegen ein mächtiges Monopol in der Branche, den Edison-Trust.

1912 gründet Laemmle mit Partnern die Produktions- und Verleihgesellschaft „Universal“. Er kauft eine Hühnerfarm vor den Toren von Los Angeles (für die Kamera füttert er sichtlich amüsiert Hennen) und macht daraus die Studiostadt „Universal City“. Es ist die Geburtsstunde Hollywoods.

Sparsamer Schwabe

In einem Mix aus zeitgenössischen Bildern, Filmausschnitten und Kommentierungen verwebt Kai Christiansen das Auf und Ab bei Universal mit Laemmles weiterem Lebensweg und erzählt zugleich ein Kapitel amerikanischer Filmgeschichte. Er schildert den Film-Tycoon als sprichwörtlich sparsamen Schwaben, der nicht zuletzt der billigeren Arbeitskräfte wegen nach Kalifornien ging und lieber Talente förderte, als hohe Gagen zu bezahlen; die großen Stars waren bei der Konkurrenz unter Vertrag. Das Medium Film nutzte er im Übrigen auch, um zu seinen Mitarbeitern zu sprechen. Man kämpfe jetzt nicht um Profite, sondern ums Überleben, beschwor er sie in der Wirtschaftskrise 1929.

Auch Laemmles Heimatverbundenheit thematisiert die Dokumentation, und sein humanitäres Engagement. Mit Bürgschaftserklärungen ermöglichte er nach Hitlers Machtergreifung hunderten deutscher Juden die Einreise in die USA und rettet sie so vor Verfolgung und Tod.

Carla Laemmle spricht

Besondere Wärme gewinnt der Film durch die Zeitzeugen, die zu Wort kommen, allen voran Laemmles Nichte Carla, die in berühmten Universal-Produktionen mitgespielt hat. Sie lebt 101-jährig in L. A. Der Laupheimer Laemmle-Forscher Dr. Udo Bayer telefoniert jeden Freitagabend mit mir, er hat den Kontakt für Christiansen geknüpft. Voller Zuneigung berichtet die alte Dame über ihren Onkel (ein freundlicher kleiner Mann mit Bäuchlein, von allen geliebt und respektiert), voller Nostalgie über das Hollywood von damals (ein „wundervolles Dorf“, in dem man an jeder Ecke über einen Film-Indianer stolpern konnte). Auch ein Verdienst von Laemmles Sohn Julius (Carl Jr.) rückt sie ins rechte Licht: Er setzte die Produktion des oscargekrönten Antikriegsfilms „Im Westen nichts Neues“ gegen massive Bedenken im Hause Universal durch. Nicht weniger berührend Fred Bender, der dank Laemmle mit seinen Eltern emigrieren konnte. Nach der Ankunft in New York holte sie ein Mitarbeiter von „Uncle Carl“ mit einer großen Limousine ab – filmreif, was sonst. Sequenzen wie diese wiegen Längen in der Dokumentation, die sich inhaltlich viel zu weit vom Thema entfernen, mehr als auf.

Info: Der Dokumentarfilm „100 Jahre Hollywood – Die Carl Laemmle-Story“ ist eine Koproduktion von Gebrueder Beetz Filmproduktion und SWR in Zusammenarbeit mit Arte. Der Film wird am Sonntag, 13. März, um 22 Uhr im Rahmen eines Themenabends Hollywood auf Arte ausgestrahlt.

(Erschienen: 24.02.2011 11:10)

 

 

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Der Weg in die Freiheit endet jäh in Biberach
66 Jahre nach dem Tod von Lazar Schönberg besuchen Nachkommen sein Grab auf dem jüdischen Friedhof in Laupheim

LAUPHEIM Die dramatische Geschichte beginnt in Berlin. Lazar Schönbergs Familie flüchtet in den 1930er-Jahren vor den Nazis nach Holland. Doch Holland wird 1940 von der deutschen Wehrmacht besetzt. In Amsterdam kann sich die Familie Rettungspässe des südamerikanischen Staates Honduras beschaffen, um so der drohenden Deportation zu entgehen. Gertrude, Lazar Schönbergs Tochter, besucht damals in Amsterdam die gleiche Schule wie Anne Frank, deren Familie sich später in einem Hinterhaus versteckt und deren Tagebuch weltberühmt wird. Irene Hasenberg hat sich mit ihren Eltern und Geschwistern aus Elmshorn nach Amsterdam geflüchtet.

1943 werden die Familien Schönberg und Hasenberg verhaftet und über das KZ Westerbork ins KZ Bergen-Belsen deportiert, wo das Leben qualvoll ist und der Tod ständig vor Augen steht. Während die Großeltern der Familie Schönberg ins KZ Theresienstadt deportiert werden, haben die beiden Familien zunächst Glück. Durch die Vermittlung der Schutzmacht Schweiz soll im Januar 1945 ein deutsch-amerikanischer Zivilinternierten-Austausch über Konstanz/Kreuzlingen und Marseille stattfinden. 301 jüdische Häftlinge aus Bergen-Belsen, darunter auch die Familien Schönberg und Hasenberg, sollen daran teilnehmen und werden in einen Zug des Roten Kreuzes nach Konstanz gesetzt, wo die Übergabe stattfinden wird.

Doch der Zug, der in die Freiheit fahren sollte, hält in Biberach, wo die Leiche von Irenes Vater, John Hasenberg, der unterwegs gestorben ist, ausgeladen wird. 40 Personen müssen den Zug verlassen und werden ins Interniertenlager Biberach (Lager Lindele) gebracht. 42 US-amerikanische Internierte aus diesem Lager dürfen statt ihnen am Austausch teilnehmen.

In Ravensburg oder Meckenbeuren hält der Zug noch einmal, um weitere amerikanische Staatsbürger aufzunehmen. Wieder müssen jüdische Bergen-Belsen-Häftlinge den Zug verlassen. Sie werden in die Argonnen-Kaserne nach Weingarten gefahren und anderntags im Biberacher Lager Lindele untergebracht, wo bereits seit 1942 britische Internierte von den Kanalinseln festgehalten werden. Dort ist heute die Bereitschaftspolizei untergebracht.

Am 2. März 1945 stirbt Lazar Schönberg im Lager Lindele. Wie der bereits auf dem Transport verstorbene John Hasenberg und weitere fünf jüdische Männer aus Bergen-Belsen, die infolge der Haftbedingungen so geschwächt waren, dass sie in den Wochen nach ihrem Eintreffen in Biberach verstarben, wird auch Schönberg zunächst auf dem evangelischen Friedhof in Biberach beigesetzt und im Dezember 1945 nach Laupheim auf den jüdischen Friedhof umgebettet.

Bis Anfang 2011 wusste die Familie Schönberg nicht, wo der Familienvater beerdigt ist. Nachkommen der Familie leben heute in der Nähe von New York. Durch eine Recherche des Urenkels, Ben Schwalb, der zurzeit in Tübingen studiert, konnte die Frage jetzt geklärt werden. Ben Schwalb konnte seiner Großmutter in den USA mitteilen, dass das Grab ihres Vaters gefunden ist. Vor wenigen Tagen haben Schwalb und seine Mutter Joanne Landau das Grab ihres Großvaters beziehungsweise Urgroßvaters in Laupheim erstmals besucht.

Lazar Schönbergs Grabnachbar auf dem jüdischen Friedhof in Laupheim ist John Hasenberg. Seine Tochter, Dr. Irene Butter-Hasenberg, wohnt in Michigan, USA. Sie hat das Grab ihres Vaters schon mehrfach besucht und hält Vorträge in Schulen über sein Schicksal. Die Nachforschungen, die Lazar Schönbergs Urenkel anstellte, bewirkten, dass nach nunmehr 66 Jahren die Verbindungen zwischen den beiden Familien wieder hergestellt werden konnten. Wie berichtet wird, rief die Kontaktaufnahme am Telefon viele alte dramatische Erinnerungen wach.

Außer den beiden Familienvätern Lazar Schönberg und John Hasenberg sind noch weitere vier Personen aus dem Zug von Bergen-Belsen in Laupheim bestattet worden.

(Erschienen: 19.03.2011 00:00)


 

 

 

 

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